KINDERRECHTE IN GHANA STÄRKEN: AISHAS GESCHICHTE
Aisha ist erst 13, aber sie weiss, was sie im Leben will: „Ich träume davon, Journalistin zu werden, um auf die Probleme von Strassenkindern aufmerksam zu machen."
Mehr als 60.000 Kinder leben in Ghanas Hauptstadt Accra auf der Strasse. Über 50 % der Kinder zwischen 12 und 17 Jahren, die ein Dach über dem Kopf haben, leben in überfüllten Häusern teilweise ohne Strom. Viele dieser Kinder arbeiten, um sich und ihre Familien über Wasser zu halten.
„Wenn ich sehe, dass meine Klassenkameraden auf der Strasse verkaufen und nicht in der Schule sind, macht mich das traurig", sagt Aisha. „Jedes Kind hat das Recht auf Bildung, Nahrung und ein Dach über dem Kopf."
Aisha war nicht immer so selbstbewusst und entschlossen. Früher war sie schüchtern. Sie hatte Schwierigkeiten, Freundschaften zu schliessen und Mühe, dem Unterricht zu folgen. Sie kannte keine Kinderrechte und dachte nicht im Traum daran, dass sie etwas für Gleichaltrige tun könnte. Doch dank der Unterstützung ihrer Lehrer:innen hat Aisha an Selbstvertrauen gewonnen und inspiriert nun ihre Mitschüler:innen, es ihr gleich zu tun.
DURCH SPIELE LERNEN
Früher wollte Aisha nicht jeden Tag in die Schule gehen. Der Unterricht langweilte sie. Sie konnte sich den Stoff nicht merken und wurde immer demotivierter.
Alles änderte sich, als sie in die Klasse von Freda kam. Freda hat an Schulungen von Right To Play teilgenommen, bei denen sie lernte, wie man den Unterricht durch Spiele interessanter gestalten kann.
"BEVOR UNSERE LEHRERIN SPIELE IN DEN UNTERRICHT INTEGRIERTE, WAR MIR SEHR LANGWEILIG. ICH SCHLIEF OFT EIN, WEIL DER STOFF SCHWER ZU VERSTEHEN WAR. DANN HABEN WIR ANGEFANGEN ZU SPIELEN, UND LERNEN MACHTE SPASS" - AISHA, SCHÜLERIN DER SECHSTEN KLASSE
Fredas Schulung war Teil des Projekts "Partners in Play", das von der LEGO Stiftung gefördert wird. Im Rahmen des Projekts werden Lehrpersonen darin geschult, wie sie Spiele in den Unterricht integrieren können. Und zwar Spiele, über die Kinder ihre Kreativität und ihre Neugierde entdecken, um so Spass am Lernen zu entwickeln.
Fredas Lehransatz hat sich nach der Schulung erheblich verändert. Statt Anweisungen zu erteilen, stellt sie nun im Unterricht Fragen, um besser zu verstehen, auf welchem Wissensstand ihre Schüler:innen sind. Die spielbasierten Lehrmethoden, die sie in ihren Unterricht einbaut, helfen den Kindern, ihre Lese-, Schreib- und Rechenkompetenz sowie ihre Kommunikationsfähigkeiten und die Zusammenarbeit untereinander zu verbessern. Sie regt die Kinder dazu an, Dinge kritisch zu hinterfragen und selbstbewusst aufzutreten.
Beispielsweise diskutiert sie mit ihren Schüler:innen über den Klimawandel, indem sie ihnen ein selbstgeschriebenes Lied zum Thema vorsingt. Das Lied ging Aisha nicht mehr aus dem Kopf und sie machte sich Gedanken, was sie zum Klimaschutz beitragen kann.
„Aisha hätte ihre Leistungen niemals so verbessert, hätte ich meine Art zu unterrichten nicht geändert", sagt Freda. „Die spielbasierten Lernmethoden haben Aishas Denken und Handeln positiv beeinflusst."
HOFFNUNG AUF EINE BESSERE ZUKUNFT
Freda führte auch eine Unterrichtsstunde zum Thema "Karrieren weltweit" ein. Sie stellte den Kindern verschiedene Berufe vor, um ihre Schüler:innen zum Nachdenken über ihre Zukunft anzuregen. Jede und jeder sollte sich danach einen Beruf aussuchen und sich vorstellen, diesen auszuüben.
Aisha faszinierte die Arbeit von Medienakteuren. Sie begann darüber nachzudenken, wie eine gute Recherche und Neugierde Journalist:innen dabei helfen, gesellschaftliche Herausforderungen zu beleuchten und Lösungen zu präsentieren. Sie konnte sich keinen besseren Beruf vorstellen, bei dem sie ihre Vorliebe fürs Lesen und ihr Verlangen, gefährdeten Kindern zu helfen, verbinden konnte. Doch sie hatte Angst, vor einer Kamera zu stehen. Dafür war sie viel zu schüchtern.
"ICH KANN JETZT VOR MENSCHEN SPRECHEN, OHNE ZU ZITTERN ODER IN PANIK ZU GERATEN" - AISHA, SCHÜLERIN DER SECHSTEN KLASSE
Trotzdem war sie neugierig. Also bat sie Freda um Hilfe bei der Suche nach weiteren Beispielen für die Art von Journalismus, die sie interessierte. Freda zeigte Aisha Nachrichtenclips auf ihrem Handy, und sie sprachen darüber, welche Fähigkeiten Journalist:innen haben sollten. Sie ermutigte Aisha, mehr zu recherchieren, zu schreiben und Geschichten zu erzählen. Sie wusste, je mehr Aisha übte, desto selbstbewusster würde sie auftreten. Fredas Unterstützung machte den Unterschied.
Fredas Glaube an Aisha half ihr dabei, sich ihre eigene Zukunft vorstellen zu können und daran zu glauben, dass sie ihre Träume verwirklichen kann. Und das alles begann mit einem kleinen Spiel.
INSPIRATION FÜR GLEICHALTRIGE
Aisha wusste, dass sie als Journalistin mehr über die Rechte von Kindern wissen musste. Also trat sie dem Child Rights Club ihrer Schule bei, der von einer durch Right To Play geschulten Lehrperson geleitet wird. In diesem Club spielen die Kinder Spiele, die sie über ihre Rechte aufklären. Dabei stärken sie ihr Durchsetzungsvermögen, lernen vor Publikum zu sprechen und sich Ziele zu setzen. Im Club lernte Aisha, dass Kinder das Recht auf Bildung, Leben, Nahrung und Unterkunft haben. Schon bald leitete sie selbst Spiele an.
Aishas Freunde begannen, in ihr ein Vorbild zu sehen. Sie beschwerten sich bei ihr über die kleinen Portionen in der Schulkantine als Folge der Hyperinflation und baten Aisha, ihnen zu helfen.
Aisha half gerne. Sie holte in der Kantine einen Teller mit Essen und marschierte damit zum Büro der Direktorin. „Sie war überrascht, mich zu sehen", sagt Aisha und erinnert sich daran, wie sie sich früher vor der Schulleiterin versteckt hatte. Aisha bat darum, dass die Portionen wieder grösser werden. Denn eine gute Ernährung sei wichtig für die Lernleistung, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kinder. Die Direktorin war so gerührt, dass sie mit der Schulleitung sprach und die Mahlzeiten wurden wieder grösser.
KAMPF GEGEN OBDACHLOSIGKEIT VON KINDERN UND KINDERARBEIT
Wenn Aisha an Kinder in ihrem Alter denkt, die auf der Strasse leben oder die Schule abbrechen müssen, um zu arbeiten, macht sie das wütend.
Aisha ist fest davon überzeugt, dass Kinderarbeit und Obdachlosigkeit vermeidbar sind und setzt sich dafür ein. Sie hat bereits die Eltern und Lehrpersonen in ihrer Schule und ihrer Gemeinde davon überzeugt, sich für die Rechte von Kindern einzusetzen.
„Ich glaube, dass Kinder ihre Rechte einfordern und von der Strasse wegbleiben können, wenn wir alle zusammen etwas tun. Kinder müssen sich geschützt, geliebt und umsorgt fühlen", sagt sie.