Jugendleiter, Würdenträger und «Change Makers» ­– sie alle schauen auf den jungen Mann, der vor einer Flagge der Vereinten Nationen steht. Ehrlich und leidenschaftlich spricht er über sein Leben und dessen Entwicklung. Ein Leben als Flüchtlingskind, das anfänglich geprägt war von Umbrüchen und Unsicherheiten und ihn zu dem machte, was er heute ist: Ein anerkannter und angesehener globaler Jugendleiter, der den Wandel von jungen Menschen in Afrika vorantreibt. Ein Wandel, der, wie er sagt, vor allem durch Spiel motiviert, geleitet und vorangetrieben wurde. Dies ist das Leben von Malual Bol Kiir.

Als Kind nahm Malual an den spielbasierten und kindzentrierten Programmen von Right To Play teil. Heute ist er mit 23 Jahren der Gründer des friedensfördernden afrikanischen Jugend-Aktionsnetzwerks (African Youth Action Network, AYAN). Dieses gilt heute weltweit als führendes Netzwerk der Jugendbewegung. Beim Treffen der Vereinten Nationen in Genf spricht Malual zu allen Jugendlichen dieser Welt. Er möchte ihnen die Bedeutung und Notwendigkeit ihrer Stimme zeigen und erklärt, wie er glaubt, dass jeder Einzelne sein Leben mit Hoffnung und Versprechen füllen kann.

"Right To Play hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin", sagt Malual. "Als Überlebender des Krieges ist es heute mein Traum, ein Menschenrechtsanwalt zu werden und weiterhin ein Botschafter für den Frieden zu sein. Ich wurde damals von Right To Play inspiriert, ein Friedensbotschafter und ein Leader zu sein. Sie haben mir gezeigt, wie dies funktionieren kann. Heute verwenden wir [AYAN] ähnliche Methoden, um Versöhnungssitzungen in Flüchtlingslagern in Uganda zu organisieren. Dort arbeite ich mit Sport- und Musikfestivals, um Flüchtlinge zu ermutigen, sich auf unser kollektives Schicksal zu konzentrieren und nicht nur auf das individuelle," fährt er fort.

"Right To Play hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin."

Das Leben als Flüchtlingskind

Malual war erst sieben Jahre alt, als er, seine Mutter und sein jüngerer Bruder im Jahr 2001 vor dem Bürgerkrieg in ihrem Heimatland Südsudan, flohen. Sie mussten alles, was sie besassen und alle, die sie kannten, zurücklassen. Die Flucht dauerte Tage. Zuerst flohen sie in einem Frachtflug, später verbrachten sie Stunden stehend auf der Ladefläche eines Lastwagens.

Als sie endlich im Invepi-Flüchtlingslager in Yumbe, im nördlichen Uganda, ankamen, war Malual erschöpft und hungrig. Er hatte gehofft, dass der Kampf seiner Familie hier ein Ende hat. Stattdessen befand er sich inmitten von Chaos. „Es war schwierig, mit so viel Lärm und unangenehmen Belästigung seitens der Beamten konfrontiert zu werden und gleichzeitig ein neues Leben aufbauen zu wollen", sagt Malual. Alltägliche Aufgaben zu erledigen, wie Brennholz und Wasser zu holen, war aufgrund der begrenzten Ressourcen extrem schwierig. In Mitten dieser Umstände Freunde zu finden, schien unmöglich. "Wir konnten uns nicht mit Leuten aus anderen Stämmen unterhalten, da wir ihre Sprachen nicht kannten", erklärt Malual.

Spielen: Maluals Lichtblick im Flüchtlingslager

Die Schule wurde zum Zufluchtsort des Jungen. Obwohl er mit der Sprachbarriere zu kämpfen hatte, machte Malual grosse Fortschritte im Unterricht. Auf Empfehlung seines Lehrers traf er sich mit dem Right To Play-Team und schloss sich daraufhin dem Afterschool-Club an.

"Ich habe die Schule sehr genossen und es war für mich ein Leichtes, der Beste meiner Klasse zu sein", sagt Malual. "Die Lehrer waren stolz auf mich, vor allem der Hauptlehrer, der mich dann den Verantwortlichen von Right To Play vorstellte", ergänzt er.

Es sei sehr bewegend gewesen, dass der Hauptlehrer ihn zu Right To Plays Programmen einlud – wie ein Lichtblick in einem sehr dunklen Moment. Dies war das erste Mal in seinem jungen Leben, dass er sich geschätzt und gewürdigt fühlte. Die Aktivitäten füllten Malual mit Hoffnung und halfen ihm, sich nicht mehr nur als Flüchtling zu sehen, sondern als einen selbstbewussten und würdevollen Menschen. Dieses Denken begleitet ihn bis heute.

Malual playing with ball

Vergebung, Friedensbildung und Akzeptanz

Malual erinnert sich gerne daran, wie er dank der Teilnahme an Right To Plays Projekten Führungsqualitäten und Durchsetzungswille lernte. Die Lieder und Spiele brachten ihn auf andere Gedanken. Er konnte seine Ängste und Spannungen vergessen und lernte, ohne Worte zu kommunizieren, was ihn Gemeinschaftsgefühl und Zugehörigkeit zu den anderen Flüchtlingskindern entwickeln liess.

"Die Spieltage waren die besten Tage meines Lebens", sagt Malual, "wir haben gesungen, getanzt, gespielt und erhielten leckeres Essen. Auch waren die Bälle, die wir von Right To Play zum Spielen erhielten, einzigartig."

Der Lieblingsball von Malual war der blaue. Die Coaches nutzten jeweils fünf verschiedenfarbige Bälle in ihren Gruppenaktivitäten. Rot wurde für Spiele benutzt, bei denen Malual und seine Kollegen Rechnen und Lesen lernten. Mit schwarzen Bällen wurden Spiele für die körperliche Entwicklung durchgeführt, mit den gelben lernte man mehr über Gefühle und Emotionen und mit den grünen gab es Übungen zu Themen der Gesundheit und Wohlbefinden. Der blaue Ball wurde in Gruppenspielen und Diskussionen rund um Teamarbeit, Friedensbildung und Akzeptanz eingesetzt.

Blue ball

"Ich habe Vergebung und Toleranz gelernt", sagt Malual, "wenn ich als Kind nicht an diesen Aktivitäten teilgenommen hätte, wäre ich stammesgemäss gegen die Tugend des Friedens geblieben. Sobald er und die anderen Kinder mit dem blauen Ball spielten, war alles ausserhalb des Teams vergessen. Nur das Team war wichtig. Wir wurden Brüder und vergassen, dass wir aus verschiedenen Stämmen kamen. Wir haben gelernt, als Team zu gewinnen und dass es egal ist, woher die einzelnen Mitglieder kommen."

Die erlernten Fähigkeiten behielt Malual. Im Jahr 2013 kehrten er und seine Familie in den Südsudan zurück, wo sie erneut gezwungen wurden, zu fliehen und wieder Zuflucht im Uganda suchten. Dies war der Moment, sagt er, als er die Auswirkung von Right To Plays Programmen realisierte.

Right To Plays Einfluss

"Da ich erneut mit den gleichen Umständen konfrontiert war, erinnerte ich mich sofort an die Dinge, die ich als Kind von Right To Play lernte", sagt Malual. "Unser Volk ist nämlich nur geteilt, weil wir aus verschiedenen Stämmen kommen. Dabei wäre gerade Toleranz ein wesentlicher Baustein für den Frieden. Je mehr ich mich an alles erinnerte, desto mehr merkte ich, dass ich das aktiv anwenden muss, was ich gelernt habe. Ich wollte teilen, was ich kannte und dadurch zum Wiederaufbau unseres Landes beitragen. Dies war zwar eine demütigende Erkenntnis", fügt er hinzu, "aber du musst das Leben so nehmen, wie es kommt."

Um seine Kenntnisse und Fähigkeiten zu teilen, suchte Malual den Kontakt zu mehreren Jugendlichen, die er damals durch die Programme kennenlernte. Mit seiner Überzeugung gründeten sie die AYAN, eine Interessengruppe für junge Flüchtlinge. Jugendliche können darin ihre Gedanken und Ideen teilen, sowie ihre Rechte und Führungsqualitäten erlernen.

"Alle meine Kollegen kommen ursprünglich aus verschiedenen Stämmen; wir sind Nuer, Dinka und Äquatorial, ein Spiegel des Südsudans", sagt Malual,"statt ebenfalls Konflikte herbeirufen, funktionieren wir als Team. Genau so, wie wir es damals, bei den Right To Play Spielen, waren. Wir lernen Toleranz, Ausdauer und Diversität. Wir sind alles Flüchtlinge und es gibt keinen Grund, warum wir uns unterscheiden sollten."

Maluals Zukunft

Mit der Unterstützung des UNHCR und durch die Führung von Malual setzt die AYAN friedensfördernde Projekte in Flüchtlings- und Siedlungslagern in ganz Uganda um. Malual ist in seinem letzten Jahr des Jurastudiums und erhielt vor Kurzem den „Voices of Courage Award 2017" der Frauen-Flüchtlingskommission von Chelsea Clinton überreicht. Hätte Right To Play sein Leben nicht beeinflusst, wäre er heute ein Soldat, der im Südsudan-Krieg kämpft, ist Malual überzeugt.

"Ich wäre wie alle Jugendlichen gewesen, die von Politikern benutzt werden, um endlose Kriege zu kämpfen und hätte somit auch für meinen Stamm gekämpft", erklärt Malual. "Stattdessen setze ich mich für den Frieden ein und überzeuge täglich junge Leute, die Lösung zu sein und nicht Teil des Problems."