Die Geschichte von Aissa

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Für Mädchen ist Mali einer der schwierigsten Orte der Welt. Im UN-Gleichstellungsindex rangiert Mali auf Platz 176 von insgesamt 187 Ländern. Unzählige Mädchen werden durch Kinderheirat, frühe Schwangerschaften sowie weibliche Genitalverstümmelung in ihrer Ausbildung und ihren Zukunftsperspektiven stark eingeschränkt.

Nun aber weigert sich eine neue Generation junger Frauen in Mali diese Einschränkungen länger hinzunehmen. Sie ermutigen Mädchen in ganz Mali ihre Stimme zu erheben, sich gegen schädliche Praktiken zu wehren, und die ihnen gestellten Hürden zu überwinden.

Die 26-jährige Aissa ist eine dieser Frauen. Während sie vor zwölf Jahren selber an einem Right To Play Programm teilnahm, ist sie heute die Gründerin von «Femme Plurielle Mali» - eine gemeinnützige Organisation zur Förderung malischer Mädchen. Dabei sollen die Mädchen durch Spiel und Sport ihren eigenen Körper besser kennenlernen und ihr Selbstvertrauen stärken. Die grundlegenden Kenntnisse und Fähigkeiten, die sie für die Förderung der Mädchen benötigt, habe sie von Right To Play gelernt, so Aissa.

"Den Mädchen wird alles Mögliche untersagt, lediglich, weil es sich für Frauen nicht gehört. Ich hatte das Glück, die Unterstützung meiner Eltern und jene von Right To Play zu haben." - Aissa, Right To Play Teilnehmerin

Aissa ist in Bamako, der Hauptstadt Malis, aufgewachsen. Wie viele Mädchen war sie schüchtern und stets mit den Forderungen von Erwachsenen und Altersgenossen umgeben, sich wie eine «richtige» Frau zu benehmen - d.h. ihr wurde gesagt, was sie tun und was sie lassen sollte. Frauen waren Mütter und Ehefrauen: Sie meldeten sich nicht zu Wort, sie brauchten nicht zu lesen, sie trieben keinen Sport, und vor allem stellten sie den Willen der Männer in ihrem Leben nicht in Frage. Sie sollten lediglich das tun, was ihnen aufgetragen wurde - Hausarbeiten und Kindererziehung.

Im Gegensatz zu den Eltern vieler Mädchen, wünschten sich Aissas Eltern mehr für sie. So ermutigten sie die damals 14-jährige Aissa, sich für das Right To Play Programm an ihrer Schule anzumelden. Für Aissa war es der Beginn von etwas viel Grösserem. Von Right To Play geschulte TrainerInnen nutzten Spiel und Sport, um in Aissas Mädchengruppe Reflexion und Diskussion anzuregen. In verschiedenen Spielen setzten sie sich mit ihren Wünschen und Zielen auseinander und lernten in einem sicheren Umfeld über sexuelle und reproduktive Gesundheit - ein Thema, das sonst tabu war. Aissa erinnert sich an ein Gefühl der Befreiung und Erleichterung, als sie erfuhr, dass Mutter zu werden eine individuelle Entscheidung ist, die sie frei und selbstständig treffen darf. Eine Welt voller Möglichkeiten öffnete sich in diesem Moment.

Aissa Photo - Young - Mali Alumni Story

Als die Mädchen selbstbewusster wurden, bot man ihnen die Möglichkeit, das Gelernte mit anderen jungen Menschen zu teilen. Aissa war äusserst motiviert und meldete sich freiwillig zu einer Schulung des öffentlichen Sprechens. Und so fand sich dieses einst schüchterne Mädchen vor Gruppen von Menschen wieder, und brachte Kindern und ihren Familien bei, wie sie sich schützen und für sich selbst sorgen können. Neben vielen weiteren Themen lehrte Aissa den Mädchen ihre Rechte, erklärte ihnen, wie sie sich gegen geschlechtsspezifische Gewalt wehren und darüber, wie sie für ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit Verantwortung übernehmen können.

"Als ich das erste Mal in der Öffentlichkeit sprach, was ich sehr nervös. Aber mein Coach hat mir geholfen, meine Angst zu überwinden und mit Selbstvertrauen zu sprechen." - Aissa

Aissa sagt, dass das Selbstvertrauen und die Entschlossenheit, die sie entwickelt habe, sie zu einer der besten Schülerinnen an ihrer High School gemacht haben. Nur eine von 100 Frauen in Mali schafft es an die Universität, Aissa war eine von ihnen. Dabei hat sie nicht nur einen Bachelor vorzuweisen, sondern ist eine der wenigen Frauen in Mali, die auch einen Mastertitel erlangt hat. Dank ihres hohen Bildungsniveaus genießt sie unter ihren Altersgenossinnen eine einzigartige Vorbildfunktion, die es ihr ermöglicht über die Vorteile einer Ausbildung von Mädchen aufzuklären, und die damit einhergehenden, vielseitigen Möglichkeiten aufzuzeigen.

Aissa hielt ihr Engagement für Right To Play auch nach ihrem Schulabschluss und während dem Studium aufrecht. Sie genoss es, bei der Durchführung von Spieltagen mitzuwirken, bei denen Familien und Kinder gemeinsam spielten, während die Eltern durch Aufführungen und Präsentationen der Kinder über Themen aufgeklärt wurden, die für die Zukunft ihrer Kinder von Bedeutung sind.

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Aissa war eben erst 22 Jahre alt, als sie zum Youth Leadership Camp der Vereinten Nationen für Sport, Frieden und Entwicklung in Magglingen, Schweiz eingeladen wurde. Durch die von Right To Play finanzierte Auslandreise in die Schweiz verließ Aissa ihr Heimatland zum ersten Mal. Es war ein einschneidendes Erlebnis. Aissa traf BotschafterInnen und JugendfürsprecherInnen aus der ganzen Welt. Sie tauschten Ideen aus und führten aufschlussreiche Diskussionen über globale Themen.

Zurück von der Reise war Aissa in ihrem Ideenreichtum gestärkt, insbesondere wie sie das Ansehen von Mädchen und Frauen in Mali verbessern könnte. Die Grundlage dieser Ideen formte «Femme Plurielle Mali», ihre gemeinnützige Organisation. Über 100 Mädchen profitieren aktuell von den lebensverändernden und fördernden Unterrichtseinheiten in Bamako, die Aissa leitet. Sie arbeitet zudem für die UNO und trägt zum Schutz der Rechte von Flüchtlings- und vertriebenen Kindern in Mali bei. Auch an ihrer Funktion als Botschafterin für die Mädchen Malis hat Aissa festgehalten. Neben Reisen in unterschiedliche Länder, hat Aissa auch die UNO und das Europäische Parlament besucht, um sich für mehr Investition für die Zukunft der malischen Jugend einzusetzen.

«Ich glaube, dass die Mädchen in Mali genauso kompetent sind wie die Jungen. Ich glaube, dass sie alles tun können, wenn sie nur die richtige Unterstützung dafür finden. Right To Play war genau das für mich, und nun möchte ich diese Unterstützung für die nächste Generation von Mädchen sein», sagt Aissa.