Eine Gruppe von Kindern steht in einem Kreis auf einem freien Feld. Ein Kind, der heimliche Anführer, fuchtelt mit den Armen, als wären sie von einem Kraken. Die anderen Kinder sehen aus den Augenwinkeln zu und ahmen die Bewegung nach, aber so subtil, dass der Detektiv, gespielt von einem Jungen namens Hakizimana, nicht erraten kann, wer die Bewegung begonnen hat.

Hakizimana stützt sich auf seine Krücken, während er von der Mitte des Kreises aus auf seine Mitschüler blinzelt. Er fokussiert einen Jungen, der seinem Blick ausweicht. Hakizimana kommt näher und starrt auf seine Bewegungen, bis der Junge zu kichern beginnt. Hakizimana zeigt auf ihn und ruft: „Das ist er!“ Der Rest des Kreises bricht in Gelächter aus. Hakizimana hat das Spiel gewonnen.

Es gab eine Zeit, in der sich Hakizimana im Umgang mit Gleichaltrigen nicht so wohlfühlte. Seine Behinderung, die den Gebrauch seiner Beine beeinträchtigt, machte ihn zur Zielscheibe von Mobbing. Doch mit der Unterstützung von Trainern aus der Gemeinde, die mit den Kindern im Nyarugusu-Flüchtlingslager in Tansania arbeiten, baut Hakizimana Beziehungen zu den Kindern in seiner Gemeinde auf. Und er verändert ihre Wahrnehmung zu dem, was er trotz seiner Beeinträchtigung alles kann.

BEWÄLTIGUNG DES SCHMERZES VON VERTREIBUNG UND VERLUST

In seinem kurzen Leben hat der vierzehnjährige Hakizimana viel Leid und Verlust erfahren. Er wurde in Burundi geboren und war erst ein paar Jahre alt, als seine Familie nach Tansania floh.
„Wir haben sehr lange als Flüchtlinge gelebt“, sagt Hakizimanas Grossutter Habonimana. “Wir kamen 1996, nach dem Krieg, nach Tansania und wurden bis 2008, als alle Flüchtlinge nach Burundi zurückkehrten, im Nduta-Flüchtlingslager untergebracht. Wir blieben sieben Jahre lang in Burundi und kehrten nach der Wahlkrise hierher zurück."
Habonimana hat fünf ihrer zehn Kinder während des Konflikts verloren. Diejenigen, die noch lebten, darunter auch Hakizimanas Mutter, kamen mit ihr in ein Flüchtlingslager in Tansania. Die Familie tat ihr Bestes, um sich wieder an das Leben im Lager zu gewöhnen, als 2017 eine Katastrophe eintrat.

„WIR HABEN SEHR LANGE ALS FLÜCHTLINGE GELEBT.“ - HABONIMANA, DIE GROSSMUTTER VON HAKIZIMANA.

Hakizimana, der immer ein gesundes Kind war, ging nach der Schule mit seinen Klassenkameraden in einem Fluss schwimmen. Es war ein tägliches Ritual, auf das sich die Kinder freuten. Doch als er an diesem Tag nach Hause kam, war etwas anders.

“Er beklagte sich, dass er das Gefühl habe, in den Rücken getreten zu werden. Die Ärzte brachten ihn ins Krankenhaus, aber leider sahen sie die Krankheit, die sich ausbreitete, nicht“, sagt Habonimana. Die Schmerzen hielten an, und im Laufe der Tage begann die Krankheit, seinen Körper zu lähmen. Nach einiger Zeit war er völlig unfähig aufzustehen“.

Die Ärzte waren schliesslich in der Lage, die Infektion, die durch ein durch Wasser übertragenes Virus verursacht wurde, zu identifizieren und zu stoppen. Doch der Schaden war bereits angerichtet. Hakizimanas Beine würden sich nie wieder erholen, und er würde für den Rest seines Lebens Krücken benutzen müssen, um mobil zu bleiben.

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Hakizimanas Grossmutter Habonimana ist seit seiner Erkrankung eine seiner wichtigsten Bezugspersonen. Sie möchte, dass er seine Träume verwirklichen kann und von Gleichaltrigen akzeptiert wird.

HINDERNISSE ÜBERWINDEN, UM ANSCHLUSS UND ZUGEHÖRIGKEIT ZU FINDEN

Das Leben in Nyarugusu ist schwierig, besonders für Menschen mit Behinderungen. Es gibt nur begrenzten Zugang zu medizinischer Behandlung, Hilfsmitteln und anderen Ressourcen. Viele Kinder müssen weite Strecken zur Schule zurücklegen, was zermürbend und anstrengend sein kann. In der Schule angekommen, ist es für Kinder mit Behinderungen aufgrund der fehlenden Infrastruktur schwierig, die Klassenzimmer oder Toiletten zu erreichen. Hinzu kommt ein gesellschaftliches Stigma, das viele Menschen zu der Ansicht veranlasst, dass Kinder mit Behinderungen beschämend sind und nicht an schulischen oder gesellschaftlichen Aktivitäten teilnehmen sollten. Nach seiner Krankheit hatte Hakizimana Mühe damit, dass er aufgrund seiner veränderten Fähigkeiten anders behandelt wurde. Seine engsten Freunde hielten zu ihm, akzeptierten ihn und boten ihm Unterstützung an, aber andere Kinder begannen ihn zu schikanieren. Hakizimana hatte Angst, dass die anderen Kinder ihm wehtun würden, und er begann, depressiv zu werden. Seine Familie machte sich Sorgen über sein geringes Selbstwertgefühl und darüber, wie es sich auf seine schulischen Leistungen auswirkte.

ICH HATTE ANGST, MIT MEINEN MITSCHÜLER:INNEN ZU SPRECHEN, ABER NOCH MEHR ANGST, ZUR SCHULE ZU GEHEN, WEIL ICH MICH ANDERS FÜHLTE ALS DIE ANDEREN“ - HAKIZIMANA, 14-JÄHRIGER SCHÜLER

Im Jahr 2020 begannen von Right To Play geschulte Trainer damit, zweimal pro Woche spielerische Sitzungen in einem Gemeindezentrum in der Nähe von Hakizimanas Zuhause zu veranstalten. Diese Sitzungen standen allen Kindern, aber die Trainer ermutigten speziell Kinder mit Behinderungen, daran teilzunehmen, um ein integratives Umfeld zu fördern und Barrieren zwischen Kindern mit und ohne Beinträchtigungen abzubauen.

Hakizimanas Nachbar hörte von den Sitzungen und ermutigte ihn, daran teilzunehmen.

In den spielerischen Sitzungen passen die Betreuenden der Gemeinde die Spiele und Aktivitäten so an, dass Kinder mit Behinderungen in vollem Umfang teilnehmen können. Sie ermutigen ihre Altersgenossen, sie willkommen zu heissen und anzufeuern. Die Spiele sollen den Teilnehmenden helfen, grundlegende Lebenskompetenzen zu erlernen. So zum Beispiel das Spiel „Secret Leader“, bei dem es um Führungsqualitäten und Zusammenarbeit geht. Oder die „Hungrige Spinne“ – hier entwickeln Kinder Entscheidungsfähigkeiten und soziales Bewusstsein für Grenzen: Sie spannen als Gruppe zusammen, um „Sicherheitszonen“ zu schaffen, die sie vor einem Spieler, „der Spinne“, schützen, der sie zu fangen versucht.

Jedes Mal, wenn Hakizimana zu den Sitzungen erschien, war er überrascht, wie viel Zuspruch er von seinen Mitschüler:innen erhielt. Bei den angepassten Spielen musste er sich keine Sorgen machen, dass er zurückbleiben oder ausgeschlossen werden könnte. Die Trainer sorgten dafür, dass er die Aktivitäten abwechselnd leiten konnte, und je mehr er aus seiner Komfortzone heraustrat, desto selbstbewusster wurde er, entwickelte Freundschaften und probierte neue Dinge aus.

Schliesslich wurde Hakizimana Juniorleiter, half bei der Durchführung der Aktivitäten und unterstützte andere Kinder bei der Entwicklung dieser wichtigen Lebenskompetenzen.

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Hakizimana liest mit Unterstützung seines Lehrers vor seinen Mitschülern aus einem Schulbuch vor.

SELBSTVERTRAUEN IN AKADEMISCHEN ERFOLG VERWANDELN

Durch sein gestärktes Selbstvertrauen und die verbesserten Beziehungen zu seinen Mitschülern schwänzt er nicht mehr die Schule. Er stösst zwar immer noch auf negative Einstellungen aufgrund seiner Behinderung, aber sein Selbstvertrauen hilft ihm, diese abzuwehren. Heute ist er ein eifriger Teilnehmer am Unterricht. Er möchte ein Beispiel für andere Kinder sein, die sich aufgrund ihrer Behinderung schüchtern oder ausgeschlossen fühlen.
«Bevor ich in das Gemeindezentrum ging, hatte ich Angst, mit meinen Mitschüler:innen zu spielen. Ich hatte Angst, mit meinen Mitschüler:innen zu sprechen, aber noch mehr Angst hatte ich, zur Schule zu gehen, weil ich mich anders fühlte als die anderen. Aber jetzt bin ich ein Anführer und weiss, wie man führt und Spiele spielt", sagt Hakizimana.

Hakizimanas bessere schulische Leistungen haben ihm das Selbstvertrauen gegeben, sich für die Zukunft Ziele zu setzen - Ziele, zu denen auch die Unterstützung anderer Kinder mit Behinderungen gehört


"My Education, My Future" ist ein Programm, das den Zugang zu und die Qualität von Bildung für Kinder im Grundschulalter, insbesondere Mädchen, die von der burundischen Flüchtlingskrise betroffen sind, verbessern soll. Das Programm ist seit 2020 in Tansania und Burundi aktiv und wird durch die finanzielle Unterstützung der kanadischen Regierung über Global Affairs Canada ermöglicht.

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